Kuba weckt Sehnsüchte bei bloßer Nennung. Die größte Karibikinsel steht für ansteckende Lebensfreude, Salsa-Rhythmen, herzliche Gastfreundschaft und authentische Atmosphäre. Noch zeigt sich die Insel und ihre Hauptstadt Havanna irgendwie aus der Zeit gefallen. Doch der Tropensozialismus bröckelt. Mit Beginn der behutsamen Annäherung zwischen den USA und Kuba im Frühjahr 2015, nach über 50 Jahren Blockadepolitik, verändert sich das Straßenbild… bald auch der Alltag der Menschen?
Ich sitze im Taxi und lausche auf die Musik aus dem Radio… Swing der 50er-Jahre, klingt irgendwie blechern und altmodisch… und passt hierher. Dann die Stimme der Radiosprecherin, melodisch und weich wie eine Liebeserklärung; ich höre gar nicht was sie sagt, allein schon die Sprachmelodie fasziniert mich. Und ich denke, dieser Tonfall ist der Ausdruck einer Lebenseinstellung und Kultur des Zwischenmenschlichen – und wie ein Versprechen auf etwas völlig anderes….
Gerade bin ich in Havanna gelandet, knapp 11 Stunden im Direktflug von Frankfurt. Da ist es, das tropische Klima, das mich gleich beim Ausstieg aus dem Flugzeug wie ein warmer Schal umschmeichelt, obwohl es bereits später Abend ist. Havanna hat 2,2 Mio. Einwohner und das Flughafen-terminal 2 erinnert an einen kleinen Provinzflughafen im Nirgendwo. Ein paar Schritte vom Flugzeug und schon stehe ich in der Schlange zur Passkontrolle. Auf der holprigen Fahrt in die Stadt fällt mir auf, dass alles ziemlich dunkel wirkt, schwache Straßenbeleuchtung und wenige Autos sind unterwegs; auch in der Innenstadt, erstaunlich wenige Menschen auf den Straßen… ich dachte hier spielt sich das Leben draußen ab, Menschen tanzen Salsa auf der Straße… das Klischee im Kopf. Der Kellner im Hotel Nacional de Cuba schenkt mir sein schönstes Lächeln, als ich in den Tiefen meiner XXL-Tasche meine Geldbörse nicht gleich finde… Nehmen Sie sich Zeit, Señora, ich komme später nochmal. Die warme Brise vom Atlantik streichelt meine Haut, während ich auf der Terrasse sitze, direkt über dem Meer, im tropischen Garten des altehrwürdigen Hotels und eine Piña Colada genieße. Gerade ist die Sonne im tiefsten Rot im Meer versunken und allabendlich wird dieses Spektakel entlang der legendären Uferpromenade Malécon von Jung und Alt verfolgt. Im Entlangschlendern wurde ich immer wieder angesprochen. Ein älterer Mann wollte mich unbedingt ein Stück begleiten…. Es sei sein Geburtstag heute und ich solle ihm die Ehre geben, dass er ein Stück mit mir gehen darf… und vielleicht einen Dollar für eine Cola zum Geburtstag…das ist Kuba. Ein bleibender Eindruck von Kuba wird sein, von den Menschen wirklich angeschaut zu werden, wenn sie zu dir sprechen ..como está Usted…? – sie schauen dir in die Augen und du fühlst dich wirklich gemeint; dann dieses Lächeln und eine wertschätzende Wortwahl, die dieser Sprache einfach eigen ist… que tenga un buen dia! …ist hier am Malécon genauso gegenwärtig wie überall sonst in der Stadt. Prachtvolle Bauten der Jahrhundert-wende in Bonbonfarben bröckeln vor sich hin und zerfallen, in absoluter Toplage stehen Ruinen neben Plattenbauten. Doch ist ein zarter Beginn von Zukunft erkennbar, ein Keim von Hoffnung in privaten Cafés und Geschäften. Manche noch unbeholfen zusammen gestückelt, andere schöpfen schon aus dem Vollen und bringen erste „State of the Art“ –Konzepte nach Kuba. Das Restaurant La Guarida ist solch ein Ort. Vor acht Jahren war ich das erste Mal dort, als es bereits der Paladar Nr. 1 in Havanna war. Paladares sind Privatrestaurants, die anfangs improvisiert aus der Not entstanden und inzwischen die Restaurantszene bestimmen. Im La Guarida einen Tisch zu ergattern ist Glückssache, es hat seinen unverwechselbaren Charme. Jeder Tisch, jeder Stuhl, jedes Glas etc. ist anders und könnte auf dem Flohmarkt zusammen gesammelt sein. Durch einen verfallenen Innenhof einstiger Kolonialpracht sind erstmal 44 Stufen zu erklimmen um ins Restaurant zu kommen. Das neueste Highlight ist jedoch die Dachterrasse, nochmals eine eiserne Wendeltreppe nach oben und man glaubt sich in Miami. In einem überdimensionalen Bilderrahmen in Szene gesetzt, ist jeder Gast ein Star. Der Blick über die Stadt ist in den Preisen inklusive, die sich auf dem Niveau europäischer Hauptstädte bewegen. Doch für die herausragende Qualität der Speisen durchaus angemessen. Natürlich ein Spaziergang durch die 500-jährige Altstadt Habana Vieja,die mit Finanzhilfe der UNESCO kräftig geschminkt wurde und mit faszinierenden Fotomotiven an jeder Ecke begeistert. Neben den Museen und Sehenswürdigkeiten, die in jedem Reiseführer beschrieben sind, ist sicherlich ein Abstecher in eine der Seitengassen, die noch nicht restauriert sind, ein aufschlussreicher Blick hinter die Kulissen der Touristenfassaden. Ein Besuch in einer Zigarrenfabrik hingegen ist ein interessanter Einblick in den Arbeitsalltag der Kubaner. Auf engstem Raum sitzen Hunderte von ArbeiterInnen und stellen in Akkordarbeit die kostbaren Zigarren in Handarbeit her. Acht Stunden am Tag, ein gesetztes Pensum von 105 Stück, wer mehr schafft, bekommt eine Prämie. Bei einem Durchschnittsverdienst von 25-30 Dollar im Monat auch mehr als nötig. Respekt erfüllt mich, wie ich so auf die schwitzenden Menschen schaue, die hier auf einfachen harten Holzstühlen sitzend, ab und zu von einem Windhauch eines altersschwachen Ventilators gestreift, ihren Lebensunterhalt verdienen. Wie lange kann man so etwas machen? Ich sehe nur junge Menschen. Aus den Lautsprechern schallt pausenlos eine Stimme, es wird in alter Tradition die Zeitung vorgelesen. Ob es heute noch die gleichen Parolen des Sozialismus sind? Diese Frage bleibt unbeantwortet. Noch ein Morgen in Havanna. Auf der Plaza Vieja, dem wohl schönsten Platz in der Altstadt, wo sich bis heute jeden Abend die Bewohner zum Plausch treffen und Kinder spielen, ist hinter einer der prächtigen Fassaden eine Grundschule zu finden. Heute morgen sind die Kleinsten auf dem Platz in Position stehend, adrett anzusehen in ihrer Schuluniform, und üben nachzusprechen, was die Lehrerin ihnen vorsagt: „por el socialismo de nuestra patria“ (auf den Sozialismus unseres Vaterlandes) „por la salud de Fidel“ (auf die Gesundheit von Fidel) und dergleichen mehr. Interessiert verfolge ich die Darbietung. Dann kommt ein Pressepulk um die Ecke, mit Kameras und Mikrofonen, und in ihrer Mitte die Außenhandelsministerin der USA mitsamt ihren Bodyguards. Spannend! Nachdem die Fotos gemacht sind, sagen die Kleinen ihre Parolen auf. Die Politikerin verfolgt dies absolut professionell, ohne jegliches Mienenspiel im Gesicht. Seit Dezember 2014 gibt es Einreiseerleichterungen für Amerikaner. „People to people“ heißt das Projekt, welches eine behutsame Annäherung über den Kulturtourismus ermöglichen soll. Und natürlich sehen alle einen Riesenmarkt an sonstigen Gütern, wenn sich die Öffnung nun realisieren sollte. Doch zuvor wollen alle noch das authentische Kuba erleben. Egal ob Amerikaner oder Europäer, der Tourismus in Kuba boomt. Laut der Zeitung Granma, offizielles Organ der sozialistischen Partei, sind 2016 über 4 Millionen Besucher eingereist, ein Plus von 14,5% gegenüber 2015. Bis Jahresende 2017 könnten es 4,2 Mio. werden. Der größte Anteil kommt weiterhin aus Kanada. Deutschland und USA folgen mit weitem Abstand. Mehr gibt das begrenzte Hotelangebot in der Hochsaison (November bis April) auch kaum her, das Wachstum generiert sich in erster Linie aus der Nebensaison und dem wachsenden Angebot der privaten Unterkünfte, den sogenannten „casas particulares“.
Erst mit der Wirtschaftsreform 2011 wurde es im sozialistischen Kuba für Privatpersonen möglich ein eigenes Geschäft zu betreiben. Immer noch ist dieses mit hohen Steuern belegt, doch vom Taxifahrer bis zum Obstverkäufer und Zimmervermieter ermöglicht es den Kubanern Zugang zu den begehrten CUC (Pesos convertibles), der „Touristenwährung“, die es parallel zu den Pesos nacionales CUP gibt. Nur mit CUC hat man Zugang zu den Supermärkten und Geschäften mit Markenartikeln, zu vielen Dingen, deren Verfügbarkeit für uns eine Selbstverständlichkeit ist. Durch den Tourismus hat sich quasi durch die Hintertür eine Zweiklassen-gesellschaft etabliert. Wenn ein Zimmermädchen im Luxushotel mehr Trinkgeld erhält, als ein staatlicher Lehrer im Monat verdient, so bringt das Werte ins Wanken. Erst 2014 wurde das Internet für die große Mehrheit zugänglich gemacht. Auf öffentlichen Plätzen wurden Hotspots für W-Lan eingerichtet, wo das Einloggen mit gekauften Wertkarten der staatlichen Telefongesellschaft Etacsa möglich ist. Das gleiche System gibt es auch in den meisten Hotels. Aber immer noch ist dies ein teures Vergnügen (1 Stunde ca. 1,50€), so dass es weiterhin für viele Kubaner nicht erschwinglich ist.Havanna, die alte Dame der Karibik
Der morbide Charme von Havanna
Was ist in Havanna ein „must do“?
Alltag in Havanna
Der Tourismus boomt ….nicht nur in Havanna
In Havannas Altstadt trägt bald jede zweite Tür das Zeichen dafür, doch auch anderenorts ist das Angebot inzwischen groß. Eine sehr gute Möglichkeit, um Land und Leute bei überschaubaren Preisen intensiver kennenzulernen und ein großes Potential für die Menschen, durch persönlichen Einsatz und ihre Gastfreundschaft und Herzlichkeit zu einem wirtschaftlich besseren Lebensstandard zu kommen. Wenigstens ein paar Worte in Spanisch sind dabei sehr hilfreich. Die Adresse ausfindig zu machen ist mangels Straßenschilder und Wegweiser schon ein Erlebnis an sich. Ein Navi auf dem Handy ist hilfreich.Solo-Unternehmer im Erfolgsrausch
Das Land will sich öffnen, ohne die Errungenschaften aufzugeben. Kuba ist in Lateinamerika vorbildlich in der Bildungs- und Gesundheitspolitik. Analphabetentum gibt es praktisch nicht. Jeder hat kostenfreien Zugang zu medizinischer Versorgung und damit liegt die Lebenserwartung bei erstaunlichen 78 Jahren. Und wohl nirgendwo in Lateinamerika kann man sich vor Kriminalität so sicher fühlen wie in Kuba, wo nicht nur Polizei und Militär sondern weiterhin auch die Parteigenossen für die Überwachung von Recht und Ordnung sorgen. Dass dies durchaus auch seine Schatten seiten hat, ist für die Touristen ohne Belang.
Die Rundreise durch Kuba hatte so einige Überraschungen für uns parat….
Reiselust auf Kuba bekommen? Schau hier: www.mittenrein-ins-leben.de